Fernöstliches Flair – Ein Schüleraustausch der einzigartigen Sorte
Fünfzehn deutsche Schüler und zwei Lehrer stehen in einer Zweierreihe am Rande eines riesigen Sportplatzes. Die chinesische Nationalhymne erklingt, gespielt von den weiß uniformierten Schülern des Schulorchesters. Feierlich stimmen tausende von Schülern den Gesang an und die rote Fahne mit den goldenen Sternen gleitet langsam den Fahnenmast hinauf. Stramm und diszipliniert stehen sie alle da. Ein ganz normaler Montag an der Qingdao No. 58 High School.
Fast einen ganzen Tag waren wir unterwegs. Nürnberg – Frankfurt, Frankfurt – Shenyang, Shenyang – Qingdao. Nach einem ermüdenden Langstreckenflug hieß es vorerst warten am Qingdao Airport. Da hatten sich die Chinesen wohl ein wenig in unserer Ankunftszeit vertan. Ein leichter Smog lag vor der untergehenden Sonne. Nach etwa 30 Minuten wurden wir dann von zwei ständig nett lächelnden Lehrern und zwei Austauschschülern abgeholt. Mit einem gemütlichen Kleinbus ging es durch die abendliche Stadt direkt zur Schule. Lichtermeere und Neonfassaden gaben uns allen einen ersten Eindruck von einem Land, welches eine halbe Globusumrundung von unserem zu Hause entfernt war. Große Augen und Euphorie vertrieben die Müdigkeit der langen Anreise schlagartig.
Von der Schule ging es dann mit den Austauscheltern, die ihre 'German sons and daughters' freudig begrüßt hatten, durch die Nacht in das neue Zuhause. Nach dem ersten Sonntag, welchen alle separat mit ihren Austauschfamilien verbracht hatten, gab es beim Wiedersehen im Meeting Room der Schule viel zu berichten. Die Erzählungen überschlugen sich förmlich, alle Erwartungen an dieses fremde Land und die Kultur Chinas waren nach nur einem Tag schon übertroffen.
Dann kam der Montagsappell. Alle Augen waren auf uns, die Besucher gerichtet. Und das sollte die ganze folgende Woche so bleiben, die deutschen Schüler waren wohl die Hauptattraktion schlechthin.
In den nächsten fünf Tagen bekamen wir einen umfassenden Einblick in das chinesische Schulwesen. Das Staunen über die Unterschiede zu unserem deutschen System war nicht gering. Disziplin, Fleiß und Ordnung, das hatten hier wohl alle verinnerlicht. Englisch-, Chinesischunterricht, traditionelle chinesische Instrumente, ein Schulfernsehstudio und morgendliche Sporteinlagen, all das konnten wir miterleben.
Außer schulischer Strenge gab es im Reich der Mitte jedoch noch unendlich viele andere Dinge zu sehen.
Eine Kultur mit Eigenarten! In unseren fünf Tagen in Qingdao besichtigten wir das Olympic Sailing Center, die Tsingtao Brauerei und das Laoshangebirge, unmittelbar östlich von der Millionenmetrople.
Zwischen den Wolkenkratzern in Downtown der Küstenstadt säumten die Straßen tausende von kleinen Geschäften, Märkten und vor allem Essensständen. Krabben hier, Kalamari dort.
Die ganze Woche fuhr uns ein von der chinesischen Schule gestellter Bus von A nach B. Auch in das nahe gelegene Gebirgsmassiv, in dem sich das chinesische Flair, wie ein Europäer es sich vorstellt, voll entfaltete. Traditionelle Tempel, große Buddhastatuen und Bambussträucher. Und von der höchsten Stelle der Wanderroute ein atemberaubender Blick über eine fantastische Berglandschaft hinaus auf das offene Meer.
Wenige Dinge lassen einen für einen längeren Moment innehalten, doch dieser gehörte definitiv dazu.
Das Fotorepertoire wuchs bei allen von uns Tag für Tag und keine Speicherkarte schien dem etwas entgegen halten zu können. Nach einer Bierprobe in der bekannten Tsingtao Brauerei durften wir alle noch unsere Handelskünste auf einem chinesischen Markt erproben. Dabei war uns fast die ganze Woche das Wetter wohl gesonnen und auch die Nächte waren warm genug. Warm genug um den einen oder anderen Spaziergang an der Strandpromenade zu tätigen nach einem sättigenden Essen in einem Hot Pot Restaurant. Die chinesische Essenskultur durfte auch keiner von uns zu knapp erleben. Die chinesischem Mütter scheuten keine Mühe, um ihren deutschen Gästen mehr als genug auf den Tisch zu zaubern (auch wenn manche Speisen für uns sehr ungewohnt waren).
Alles in allem war jeder von uns nach einer Woche in Qingdao überwältigt von einer völlig fremden Kultur und all ihren Facfetten: Die Schule, die Landschaft und die Menschen. Von einem dieser drei Dinge mussten wir uns dann nach diesen fünf Tagen verabschieden. Bei einem festlichen Abschiedsakt in einem Hotel unweit der Schule kamen alle ein letztes Mal zusammen, deutsche Schüler, chinesische Schüler, Eltern und Lehrer. Denn der einen Stadt sagten wir auf Wiedersehen, doch schon am nächsten Morgen begrüßte uns ein graues, düsteres Peking! Nachdem wir nach einer Stunde Flug am nächsten Morgen in Peking landeten, waren wir zur Hälfte noch in Gedanken in einer großen, südlicher gelegenen Stadt, bei unseren Austauschpartnern, den Familien und der Austauschschule. Doch nun waren im am Flughafen einer NOCH größeren Stadt angekommen. Keine 50 Meter konnten wir aus dem Bus durch den Smog sehen, als wir zur ersten Station fuhren, die auf unserem Programm stand. Die Luft brannte in den Augen und Nasen von uns allen, als wir am Himmelstempel mitten in Peking ausstiegen. Ein junger chinesischer Touristenführer, der unglaublich gutes Deutsch sprach, führte uns durch den riesigen Park, in dem alte Chinesen singend und Karten spielend ihren Nachmittag verbrachten. Zum ersten Mal nach einer Woche waren wir nicht mehr die einzigen Europäer weit und breit. Abertausende von Touristen strömten über den Platz vor dem runden Tempel.
Durch den stockenden Verkehr bahnte sich unser Bus (selbstverständlich war auch dieser ganz für uns reserviert) seinen Weg zu unserem Hotel, nachdem wir in einem Restaurant ein schmackhaftes Abendessen genießen durften. Die nächsten drei Tage war Sightseeing pur angesagt. Zu unserem Erstaunen hatte sich der Smog über Nacht völlig aufgelöst und einen kristallblauen Himmel hervorgebracht. Mit dem guten Wetter kam jedoch auch ein eisiger Wind, welcher uns begleitete als wir nach dem Frühstück zu Fuß durch die verbotene Stadt liefen.
Die Ming-Gräber, die Chinesische Mauer und der romantische Sommerpalast waren unsere nächsten Programmpunkte. Die Faszination war jedem anzumerken, auch unseren begleitenden Lehrern. Vor allem der Sommerpalast ließ in der Abenddämmerung eine Magie über jeden von uns kommen. Vom höchsten Punkt der chinesischen Mauer bei Peking überblickten wir ein Panorama, welches uns den Wunsch verspüren ließ, noch ein paar Tage mehr in diesem fernen Land verbringen zu können.
Doch auch die Stadt, die ein modernes Weltwirtschaftszentrum mit tausendjähriger Kultur vereint, mussten wir nach drei Tagen verlassen. Auch Wiedersehen Menschenmengen, auf Wiedersehen Tempel, auf Wiedersehen Chinesische Mauer und auf Wiedersehen chinesisches Essen! Wir hatten einen kulturellen Input erhalten, welcher alle Vorstellungen bei weitem übertroffen hatte. „Das Leben ist kein Problem, das es zu lösen, sondern eine Wirklichkeit, die es zu erfahren gilt.“ Unter anderem mit dieser Weisheit belehrte Buddha seiner Zeit seine Schüler. Nach zehn Tagen fernab der westlichen Welt haben wir alle ein weiteres Stück der Wirklichkeit erfahren und erleben können. Und jeder, der die Möglichkeit hat, sollte sich das ebenfalls nicht entgehen lassen!
Alexander Meierhöfer, Q11